Schon zum zweiten Mal findet in Bern der Simulationsworkshop für intrakranielle Aneurysma-Mikrochirurgie statt. Bei diesem 2-tägigen Kurs am 14./15. Mai 2024 können angehende oder fertige Neurochirurginnen und Neurochirurgen ihr Können auf dem Gebiet der Aneurysma-Chirurgie praktisch anwenden und vertiefen. Geleitet wird dieser innovative Workshop von dem Oberarzt und Spezialisten für vaskuläre Neurochirurgie des Inselspitals Prof. Dr. med. David Bervini. Veranstaltungsort ist das SITEM, Freiburgstrasse 3 in Bern.
Aneurysma-Operationen sind anspruchsvolle und schwierige Eingriffe. Ein Chirurg braucht viel Training und Erfahrung, um die passende Eingriffsart zu wählen und den Weg zum Aneurysma sicher und präzise zu planen. Umso wichtiger ist es, dass bei der Operation am Blutgefäss dann jeder Handgriff sitzt. Am 2. Berner Simulations-Workshop kann dies in zahlreichen praktischen Übungen am Operationssimulator trainiert werden.
Der innovative 4D-Aneurysma-Simulator wurde am Inselspital in einer Kooperation mit der Universität Bern entwickelt und brachte den Durchbruch in der Aneurysma-Chirurgie im Hinblick auf Risikominimierung und Patientensicherheit. Unterstützt wurde seine Entwicklung durch die Schweizer Agentur für Innovationsförderung Innosuisse, die Schweizer Herzstiftung, das Medizintechnikunternehmen Ypsomed und die Start-up-Förderung Venture Kick.
Interview
Im Rahmen des ersten Simulationsworkshops hatten wir ein Interview mit Prof. Dr. med. David Bervini geführt, das Konzept und Ziel des Workshops für interessierte Ärztinnen und Ärzte deutlich macht.
Herr Prof. Bervini, warum sind Aneurysmen-Operationen so gefährlich?
Bervini: Etwa 2 bis 3 von 100 Erwachsenen haben ein Aneurysma ‒ sehr oft, ohne etwas davon zu spüren. Aneurysmen sind ballonartige Erweiterungen einer Hirnarterie, die reissen und so schwere Hirnblutungen verursachen können. Ihre neurochirurgische Entfernung ist äusserst anspruchsvoll. Eine sorgfältige Abwägung des Risikos einer Ruptur gegen die Risiken eines Eingriffs ist deshalb unbedingt notwendig.
Aneurysma-Operationen sind vor allem deshalb so heikel, weil es sich um empfindliche anatomische Strukturen handelt, die im Hirn oft schwer zugänglich sind und sich von Patient zu Patient auch unterscheiden. Der kleinste Fehler oder die kleinste Fehleinschätzung können den chirurgischen Eingriff drastisch erschweren und zu schwerwiegenden und potenziell katastrophalen neurologischen Komplikationen führen. Eine Minimierung der Risiken eines solchen Eingriffs hat deshalb höchste Priorität.
Was macht nun genau der 4D-Aneurysma-Simulator?
Bervini: Der Simulator bietet eine realistische, individualisierte, optische und haptische Übungsmöglichkeit an einer 3D-Kopie des Schädels, des Hirns und neu auch der Blutbahnen einer Patientin oder eines Patienten. Chirurginnen und Chirurgen finden im Simulator 1:1 die Situation vor, die sich ihnen später während der realen Operation stellen wird.
Weltweit einzigartig ist die Erweiterung auf eine 4D-Simulation, bei der auch die zeitlichen Aspekte von Blutbahnen mit Puls und Blutfluss korrekt simuliert werden. Der 4D-Simulator wird sowohl für die Planung eines Eingriffs wie auch für Echtzeitübungen am konkreten Fall eingesetzt. Durch die so perfektionierte Planung und Übung eines Eingriffs wird das Operationsrisiko für die Patientinnen und Patienten erheblich gesenkt.
Wer hat den Aneurysma-Simulator entwickelt?
Bervini: Die Entwicklung ist das Ergebnis aus einer Zusammenarbeit zwischen der Klinik für Neurochirurgie des Inselspitals Bern und des ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern. Das Projekt wurde von mehreren Forschungs- und Entwicklungsfonds unterstützt und mit einigen Preisen ausgezeichnet. Wir haben inzwischen das Start-up-Unternehmen SurgeonsLab AG gegründet, um den Simulator weiterzuentwickeln und auch zu vermarkten. Der Simulator ist nicht nur in der vaskulären Neurochirurgie einsetzbar, sondern auch interessant bei endovaskulären Interventionen oder anderen chirurgischen Krankheitsbildern.
Warum haben Sie einen Workshop organisiert? Was lernt man dort?
Bervini: Wir sind davon überzeugt, dass der Simulator ein innovatives Werkzeug ist, das eine wichtige Rolle bei der Ausbildung unserer jungen Chirurginnen und Chirurgen spielen kann. Die rasante Entwicklung der Technologie macht es heute möglich, hochentwickelte Hirnumgebungen zu simulieren, was in der Vergangenheit so bisher nicht erreicht wurde. Dies ist auch deshalb so wichtig, weil die neue Generation von Neurochirurginnen und Neurochirurgen aus verschiedenen Gründen immer weniger mit diesen komplexen Operationen in Berührung kommt.
Die Idee des Workshops ist es, einen qualitativ hochwertigen Hands-on-Unterricht anzubieten. Die intraoperativen chirurgischen Bedingungen werden so realitätsnah wie möglich nachgestellt. Ergänzt wird der praktische Teil durch Vorträge und Fallbesprechungen, die eine Diskussion und einen offenen Austausch zwischen Teilnehmern und international anerkannten Spezialistinnen und Spezialisten ermöglichen.
Für wen ist der Workshop nützlich?
Bervini: Der Workshop richtet sich in erster Linie an Neurochirurginnen und Neurochirurgen, die an der Behandlung von intrakraniellen Aneurysmen interessiert sind und auf diesem Gebiet mikrochirurgische Kenntnisse erwerben und/oder vertiefen möchten. Wir stellen am Workshop verschiedene Simulatorenmodelle von unterschiedlicher Komplexität zur Verfügung. Dies ermöglicht es, mikrochirurgische Fertigkeiten zu üben, die dem individuellen Niveau jeder Teilnehmerin und jedes Teilnehmers angepasst sind. Der Workshop ist international und wird von der Schweizerischen Gesellschaft für Neurochirurgie (SGN) und der European Association of Neurosurgical Societies (EANS) anerkannt und gefördert.
Was ist das Ziel für die Zukunft?
Bervini: Die Rolle der Simulation in der Medizin ist hochaktuell, und viele Fachrichtungen haben Simulationen bereits in ihren Ausbildungslehrplan aufgenommen. Simulation ist ein sicherer, effizienter und innovativer Weg, um einen hohen Standard in der Ausbildung und bei der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Unser Ziel ist es, den Zugang zum Simulator für zukünftige Generationen von vaskulären Neurochirurginnen und Neurochirurgen weiter auszubauen. Wir wünschen uns, dass dieser Workshop regelmässig stattfinden kann und dass das Inselspital und die Universität Bern in diesem Bereich Pionierarbeit leisten werden.
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