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Die Neuroendoskopie ist für die chirurgische Versorgung bestimmter Krankheitsbilder in der Neurochirurgie des Inselspitals sehr wichtig und wird darum auch regelmässig eingesetzt. Endoskope sind spezialisierte Instrumente, die über eine Linsenoptik mit einem Kamerasystem und einer Lichtquelle verbunden sind. Über kleinste Zugänge liefern sie hervorragende Bilder in hochauflösender Qualität aus tief gelegenen Operationsgebieten oder Hohlräumen wie beispielsweise Hirnventrikeln oder Zysten. Gleichzeitig können über Endoskopiesysteme auch Mikroinstrumente eingeführt werden, um operative Eingriffe über einen minimalinvasiven Zugang unter voller visueller Kontrolle durchzuführen.

Seit wann gibt es die Endoskopie?

Die ersten endoskopischen Eingriffe am Gehirn fanden bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts statt *. Der standardisierte Einsatz im klinischen Alltag setzte sich jedoch erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch. Gründe dafür waren die unzureichende Miniaturisierung der Endoskopie sowie die viel zu schwachen Lichtquellen. Ende der 1980iger Jahre kam es aufgrund von wesentlichen technischen Verbesserungen und der Einführung endoskopischer Arbeitsinstrumente (Laser, bipolare Elektroden und Minifasszangen) zu einem deutlichen Aufschwung dieses Verfahrens *. Heutzutage ist die Endoskopie für bestimmte Eingriffe im neurochirurgischen Klinikalltag kaum mehr wegzudenken.

Wie werden Endoskope in der Neurochirurgie eingesetzt?

In der Neurochirurgie finden Endoskope einerseits Verwendung, um mikrochirurgische Operationen zu unterstützen, zum Beispiel um einen besseren Einblick in schwer einsehbare Bereiche zu gewinnen. Andererseits können spezielle Eingriffe, insbesondere im Bereich der Hirnventrikel, rein neuroendoskopisch durchgeführt werden. Dem Chirurgen stehen hierbei verschiedene Werkzeuge, wie beispielsweise ein endoskopisch benutzbarer Laser, bipolare Elektroden oder eine Fasszange zur Verfügung stehen. Bei Bedarf können Endoskope in Kombination mit einem Neuronavigationssystem genutzt werden, um neben der visuellen Kontrolle zusätzliche Orientierungssicherheit zu gewinnen.

Welche Operationen eignen sich für endoskopische Eingriffe?

Neuroendoskopische Operationsverfahren werden routinemässig am Ventrikelsystem und der Schädelbasis routinemässig eingesetzt. Tumoren im Bereich des Ventrikelsystems führen in vielen Fällen auch zu einer Abflussstörung des Hirnwassers (Liquor), was in der Folge zu einer Erweiterung der Hirnventrikel und somit zu einem, für den Chirurgen vergrösserten und somit günstigeren Arbeitsumfeld führt *. Insbesondere die Seitenventrikel sowie der 3. Ventrikel sind neuroendoskopisch gut zugänglich für einen operativen Eingriff.

Generell planen wir Operationen und den Einsatz verschiedenster Operationstechniken für jeden Patienten individuell. Das geeignete Operationsverfahren wird im Rahmen der Beratung in unserer Sprechstunde und im beim Aufklärungsgesprach vor der Operation genau erläutert.

Bei folgenden Krankheitsbildern kann eine rein neuroendoskopische oder eine neuroendoskopisch-assistierte Operation sinnvoll sein:

Hydrocephalus occlusus

Die Behandlung eines Hydrozephalus besteht in den meisten Fällen aus einer künstlich hergestellten Liquorableitung über einen ventrikuloperitonealen Shunt. Einzelne Formen des Hydrozephalus erlauben es, alternativ über einen vollendoskopischen Eingriff die Liquorzirkulation wiederherzustellen und so die Implantation eines Drainagesystems zu vermeiden. Dies kommt beispielsweise bei einem Hydrocephalus occlusus in Betracht, welcher durch eine Aquäduktstenose, Zysten oder Tumoren verursacht werden kann. Eine elegante Lösung in solchen Fällen stellt die endoskopische Drittventrikulozisternostomie (ETV) dar, bei welcher endoskopisch der Boden des 3. Ventrikels eröffnet wird und somit ein Liquorabfluss zu den äusseren Liquorräumen ermöglicht wird.

Eine weitaus seltenere Form des Hydrozephalus können isoliert aufgestaute Temporalhörner des Seitenventrikels sein, welche beispielsweise sekundär als Komplikation nach Tumoroperationen auftreten können. Eine Standardtherapie für dieses seltene Krankheitsbild gibt es nicht, jedoch stellt ein endoskopischer Ansatz in einigen Fällen eine Behandlungsmöglichkeit dar *.

Arachnoidalzysten

Bei Arachnoidalzysten handelt es sich um gutartige zystische Veränderungen der mittleren Hirnhaut Arachnoidea, die meistens asymptomatisch sind und nur selten einer chirurgischen Behandlung bedürfen. Symptomatische oder grösser werdende Zysten können eine sogenannte Zystenfensterung notwendig machen. Abhängig von der Lokalisation und der radiologischen Befunde kann diese rein endoskopisch und minimalinvasiv durchgeführt werden. Besonders geeignet sind hierfür suprasellär gelegene Arachnoidalzysten, wenn diese von einem Hydrozephalus begleitet werden. Die durch den Hydrozephalus erweiterten Ventrikel ermöglichen einen guten Zugang sowie die Möglichkeit einer grossen Fensterung der Zyste, was das Risiko für ein Rezidiv deutlich vermindert. Studiendaten zeigten, dass eine nochmalige Fensterung bei suprasellären Zysten nur in den allerseltensten Fällen notwendig ist *.

Das neuroendoskopische Operationsverfahren ist jedoch nicht nur auf supraselläre Arachnoidalzysten limitiert, sondern kann bei ausreichender Zugangsmöglichkeit auch bei Zysten in der mittleren und hinteren Schädelgrube angewandt werden *.

Kolloidzysten

Kolloidzysten sind gutartige, zystische Strukturen, die mit einer Epithelschicht ausgekleidet sind und mit einer eher schleimigen Flüssigkeit gefüllt sind. Kolloidzysten liegen häufig im 3. Ventrikel und können somit je nach Lage und Grösse die Abflusswege des Hirnwassers blockieren. Sehr kleine, asymptomatische Kolloidzysten bedürfen normalerweise keiner chirurgischen Intervention. Zeigt sich jedoch, eine durch die Kolloidzyste verursachte Symptomatik oder hat die Zyste eine gewisse Grösse erreicht, ist im Normalfall die chirurgische Entfernug angezeigt *. Ist die chirurgische Zystenresektion notwendig, kann diese abhängig von Lage und Grösse entweder mikrochirurgisch oder in einem günstigen Fällen rein endoskopisch durchgeführt werden.

Tumoren

Hirntumoren werden in der Regel mikrochirurgisch operiert. Eine Ausnahme bilden intraventrikuläre oder paraventrikuläre Tumoren, also Tumoren, die in den Hirnventrikeln oder in unmittelbarer Nähe dazu wachsen. Diese müssen nicht immer chirurgisch entfernt werden, einige dieser Tumorarten sprechen auch gut auf andere Behandlungsformen an. Eine feingewebliche Untersuchung des Tumorgewebes ist aber in der Regel zur Diagnosestellung und Festlegung der weiteren Therapie notwendig. Wenn der Tumor an einer gut zugänglichen Stelle liegt, ist eine endoskopische Biopsie möglich. Im Gegensatz zur herkömmlichen Biopsie bietet der endoskopische Ansatz durch die visuelle Sicht des Tumors einen deutlichen Vorteil. Der Chirurg kann den genauen Biopsieort visuell einsehen – ein Fakt, der zu einer erhöhten Diagnoserate führt. Ebenso können kleinere, durch die Biopsie verursachte Blutungen direkt gestillt werden.

Da Tumoren im Ventrikelsystem den Liquorabfluss behindern können, bietet der neuroendoskopische Ansatz die Möglichkeit, direkt eine endoskopische Drittventrikulozisternostomie oder eine Septostomie durchzuführen.

In gewissen Fällen ist sogar eine voll endoskopische Entfernung eines intraventrikulären Tumors möglich. Hierzu eigenen sich insbesondere Tumoren, welche moderat mit Blutgefässen versorgt sind, eine weiche Konsistenz sowie eine Grösse von < 2–3 cm aufweisen *. Zeigt der Tumor Verwachsungen zu Strukturen wie dem Fornix oder der Vena thalamostriata, ist eine gänzliche Resektion oftmals nicht möglich, um Verletzungen dieser Strukturen zu vermeiden *.

Der Nachteil der neuroendoskopischen Tumorchirurgie liegt für den Chirurgen vor allem in der eingeschränkten Beweglichkeit über das Endoskop und in der fehlenden bimanuellen Arbeitsweise, wie es bei einer offenen Operation möglich ist.

Hypophysentumoren und Schädelbasischirurgie

Endoskope ermöglichen dem Chirurgen, auch über einen langen und schmalen Zugangsweg eine hervorragende Ausleuchtung des Operationsgebiets und eine entsprechend gute Bildqualität des Operationssitus zu erhalten. Endoskope erlauben ausserdem über abgewinkelte Optiken einen Einblick in Bereiche, welche über den direkten Blick durch das Operationsmikroskop nicht einsehbar sind. So kann neben dem klassischen transkraniellen Zugangsweg mit dem endoskopischen Ansatz auch eine transnasale kontrollierte Chirurgie an der Schädelbasis durchgeführt werden. So können beispielsweise Hypophysentumoren unter visueller Kontrolle vollständig entfernt werden.

Operationen im Bereich von Hirnstamm und Hirnnerven

Im Bereich von Hirnstamm und Hirnnerven liegen viele empfindliche Strukturen auf sehr engem Raum beieinander. Bei Operationen in diesem Bereich erlaubt das Endoskop den Blick hinter diese Strukturen, ohne sie zu schädigen. So können die individuellen anatomischen Verhältnisse erfasst und Ursachen für Störungen erkannt werden. Dazu gehört z. B. eine pulsierende Gefässschlinge als Ursache für eineTrigeminusneuralgie oder einen Hemispasmus facialis. Mit Hilfe des Endoskops kann der mikrovaskuläre Konflikt von Gefäss und Nerv exakt lokalisiert und dessen Behebung visualisiert werden, da sich mit der Neuroendoskopie die anatomischen Verhältnisse am Kleinhirnbrückenwinkel aus mehreren Winkeln präzise darstellen lassen *.

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