Die Neuroendoskopie ist ein wichtiges Verfahren in der Neurochirurgie und wird regelmässig eingesetzt. Dabei kommen spezielle Endoskope zum Einsatz, die mit Kamera und Lichtquelle ausgestattet sind. Sie ermöglichen durch kleinste Zugänge hochauflösende Bilder aus tief im Hirn gelegenen Bereichen wie den Hirnventrikeln oder Zysten. Gleichzeitig lassen sich über das Endoskop Mikroinstrumente einführen, sodass Eingriffe minimalinvasiv und unter direkter Sicht durchgeführt werden können.
Wie werden Endoskope in der Neurochirurgie eingesetzt?
Die Endoskopie hat sich in den letzten Jahrzehnten technologisch stark weiterentwickelt und ist im heutigen neurochirurgischen Klinikalltag unverzichtbar *. Endoskope werden eingesetzt, um
- mikrochirurgische Operationen zu unterstützen, beispielsweise für einen besseren Einblick in schwer einsehbare Bereiche oder
- Eingriffe vollständig neuroendoskopisch durchzuführen – etwa im Bereich der Hirnventrikel.
Dem Chirurgen stehen dabei verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, darunter endoskopisch verwendbare Laser, bipolare Elektroden oder Fasszangen *.
Bei Bedarf können Endoskope in Kombination mit einem Neuronavigationssystem eingesetzt werden, um neben der visuellen Kontrolle zusätzliche Orientierungssicherheit zu gewährleisten.
Welche Operationen eignen sich für endoskopische Eingriffe?
Neuroendoskopische Operationen werden vor allem im Bereich der Hirnventrikel und an der Schädelbasis durchgeführt. Tumoren in den Hirnventrikeln können den Abfluss des Hirnwassers (Liquor) behindern und so zu einer Erweiterung der Ventrikel führen. Dadurch entsteht für den Chirurgen ein besser zugängliches Operationsfeld *. Besonders die Seitenventrikel und der 3. Ventrikel eignen sich für endoskopische Eingriffe.

Hydrocephalus occlusus
Ein Hydrozephalus wird meist über einen Shunt behandelt, der das Hirnwasser ableitet. Bei einem Hydrocephalus occlusus, auch Verschluss- oder obstruktiver Hydrozephalus genannt, wird der Abfluss der Hirnflüssigkeit (Liquor) durch eine Blockade oder Verengung der Hirnkammern oder der ableitenden Liquorwege behindert. In diesem Fall kann eine endoskopische Operation helfen, den natürlichen Liquorfluss wiederherzustellen und so einen Shunt zu vermeiden. Bei der sogenannten endoskopischen Drittventrikulozisternostomie (ETV) wird der Boden des 3. Ventrikels geöffnet, sodass das Hirnwasser wieder abfliessen kann.
Selten kommt es vor, dass nur die Temporalhörner der Hirnventrikel aufgestaut sind, zum Beispiel nach Tumoroperationen. Auch hier kann in manchen Fällen ein endoskopischer Eingriff eine Behandlungsoption sein *.

Arachnoidalzysten
Arachnoidalzysten sind gutartige Flüssigkeitsansammlungen in der mittleren Hirnhaut (Arachnoidea). Meistens verursachen sie keine Beschwerden und müssen daher nicht behandelt werden.
Wenn Zysten jedoch Symptome hervorrufen oder grösser werden, kann eine sogenannte Zystenfensterung notwendig sein. Dabei wird die Zyste eröffnet, sodass die Flüssigkeit abfliessen kann. Abhängig von Lage und Befund kann dieser Eingriff minimalinvasiv und rein endoskopisch erfolgen.
Besonders geeignet sind suprasellär gelegene Arachnoidalzysten, vor allem wenn gleichzeitig ein Hydrozephalus vorliegt. Durch die Erweiterung der Hirnventrikel entsteht ein günstiger Zugang, der eine grosse Fensterung der Zyste ermöglicht und das Rückfallrisiko deutlich verringert. Studien zeigen, dass bei suprasellären Zysten nur in sehr seltenen Fällen eine erneute Operation notwendig ist *.
Endoskopische Verfahren können – bei ausreichendem Zugang – nicht nur bei suprasellären, sondern auch bei Zysten in der mittleren oder hinteren Schädelgrube eingesetzt werden *.
Kolloidzysten
Kolloidzysten sind gutartige Hohlräume, die von einer dünnen Zellschicht ausgekleidet und mit einer zähflüssigen Substanz gefüllt sind. Sie liegen häufig im 3. Ventrikel und können – je nach Grösse und Lage – den Abfluss des Hirnwassers blockieren.
Sehr kleine, beschwerdefreie Kolloidzysten müssen in der Regel nicht behandelt werden. Verursacht die Zyste jedoch Symptome oder erreicht eine bestimmte Grösse, ist in den meisten Fällen eine operative Entfernung notwendig *.
Die Operation kann – abhängig von Lage und Grösse – entweder mikrochirurgisch oder, in günstigen Fällen, rein endoskopisch erfolgen.
Tumoren
Endoskopische Biopsie
Hirntumoren werden meist mikrochirurgisch entfernt. Eine Ausnahme bilden Tumoren, die innerhalb der Hirnventrikel oder direkt daneben wachsen. Diese müssen nicht immer komplett operiert werden, da einige Tumorarten auch gut auf andere Therapien ansprechen.
Für die Diagnose und die Planung der weiteren Behandlung ist jedoch fast immer eine feingewebliche Untersuchung (Biopsie) erforderlich. Liegt der Tumor an einer günstig erreichbaren Stelle, kann die Gewebeprobe endoskopisch entnommen werden. Dabei hat der Chirurg durch die direkte Sicht auf den Tumor den Vorteil, die Biopsiestelle gezielt auszuwählen. Dies erhöht die Trefferquote der Untersuchung und ermöglicht es zudem, kleine Blutungen sofort zu stillen.
Da Tumoren in den Hirnventrikeln den Abfluss des Hirnwassers behindern können, lässt sich im Rahmen einer endoskopischen Biopsie bei Bedarf gleichzeitig eine Entlastungsoperation wie eine endoskopische Drittventrikulozisternostomie oder Septostomie durchführen.
Voll endoskopische Tumorresektion
In bestimmten Fällen kann ein Tumor im Hirnventrikelsystem vollständig mit dem Endoskop entfernt werden. Besonders geeignet sind Tumoren mit geringer Gefässversorgung, weicher Konsistenz und einer Größe unter 2–3 cm *.
Sind jedoch Verwachsungen mit wichtigen Strukturen wie dem Fornix oder der Vena thalamostriata vorhanden, ist eine vollständige Entfernung oft nicht möglich, um Schäden zu vermeiden *.
Der Nachteil der neuroendoskopischen Tumorchirurgie liegt für den Chirurgen vor allem in der eingeschränkten Beweglichkeit über das Endoskop und in der fehlenden bimanuellen Arbeitsweise, wie es bei einer offenen Operation möglich ist.
Hypophysen- und Schädelbasischirurgie
Endoskope bieten dem Chirurgen auch über schmale Zugangswege eine ausgezeichnete Sicht und Ausleuchtung des Operationsgebiets. Dank abgewinkelter Optiken können zudem Bereiche eingesehen werden, die mit dem Operationsmikroskop nicht sichtbar wären.
Neben den klassischen Zugangswegen durch den Schädel ist so auch eine minimalinvasive Operation über die Nase (transnasal) möglich. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Hypophysentumoren unter direkter Sichtkontrolle vollständig entfernen.
Operationen im Bereich von Hirnstamm und Hirnnerven
Im Bereich von Hirnstamm und Hirnnerven liegen viele empfindliche Strukturen dicht beieinander. Das Endoskop ermöglicht hier einen Blick «hinter» diese Strukturen, ohne sie zu verletzen. Dadurch können die individuellen anatomischen Verhältnisse besser beurteilt und Krankheitsursachen erkannt werden – zum Beispiel eine Gefässschlinge, die einen Nerv einengt und so eine Trigeminusneuralgie oder einen Gesichtskrampf (Hemispasmus facialis) auslöst.
Mit Hilfe der Neuroendoskopie lassen sich solche Gefäss-Nerven-Konflikte präzise darstellen und die operative Behandlung direkt unter Sicht kontrollieren. Besonders am Kleinhirnbrückenwinkel bietet die endoskopische Darstellung den Vorteil, Strukturen aus verschiedenen Winkeln betrachten zu können *.
Neuroendoskopie am Inselspital
Operationen und die Wahl der geeigneten Technik werden bei uns für jeden Patienten individuell geplant. Das geplante Vorgehen wird im Beratungsgespräch in unserer Sprechstunde und nochmals im Aufklärungsgespräch vor der Operation ausführlich erklärt.
Bei den aufgeführten Krankheitsbildern kann entweder eine rein neuroendoskopische oder eine neuroendoskopisch-assistierte Operation sinnvoll sein.
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