Tarlov-Zysten oder auch perineurale Zysten sind flüssigkeitsgefüllte Ausstülpungen der Nervenwurzelscheiden, die meist im Bereich der Kreuzbeinwirbelsäule vorkommen. Sie sind in vielen Fällen asymptomatisch, können aber auch Schmerzen im Bereich Rücken–Gesäss–Beine sowie neurologische Defizite verursachen. Die genaue Ursache ihrer Entstehung ist nicht vollständig geklärt. Die Behandlung variiert von konservativen Massnahmen wie Schmerzmedikamenten und Physiotherapie bis hin zu operativen Eingriffen bei schwerwiegenden Symptomen.
Tarlov-Zysten treten mit Abstand am häufigsten im Bereich des Kreuzbeins auf und betreffen am häufigsten die Wurzel der Sakralnerven S2 oder S3 *. Grundsätzlich können sie aber entlang der gesamten Wirbelsäule vorkommen. *, *
Sie entstehen durch einen Flüssigkeitsaustritt in den Raum zwischen Perineurium (das einzelne Nervenfaserbündel umgibt) und Epineurium (das den ganzen Nerv umschliesst) *. Meist gibt es eine kleine Verbindung zum Hirnwasserraum, wodurch Nervenwurzeln abgedrückt werden können *, * Im Gegensatz zu anderen meningealen Zysten füllen sich Tarlov-Zysten bei einer Myelografie, einer bildlichen Darstellung des Hirnwasserraums, nur verzögert mit Kontrastmittel und kollabieren nicht sofort bei Liquordrainage, was sie diagnostisch abgrenzt. *, *, *
Wie werden Tarlov-Zysten klassifiziert?
Klassischerweise werden mit den Hirnhäuten assoziierte Zysten an der Wirbelsäule in 3 Typen eingeteilt *:
Typ I: extradurale (ausserhalb der unsprünglichen Hirnhaut) meningeale Zysten ohne Nervenfasern
Typ II: extradurale meningeale Zysten mit Nervenfasern
Typ III: intradurale meningeale Zysten
Bei den klassischen Tarlov-Zysten handelt es sich um Typ-II-Zysten nach Nabors et al. *
Wie häufig ist eine Tarlov-Zyste?
Eine Tarlov-Zyste kann je nach Bildgebung und Analyse bei ca. 1–13 % aller Personen gefunden werden und ist in den allermeisten Fällen ein Zufallsbefund. *, *, *, * Frauen sind im Vergleich zu Männern häufiger betroffen *, *. Diese hohe Zahl verdeutlicht, dass nur ein sehr kleiner Teil der Zysten tatsächlich Symptome verursacht, was die Diagnose oft erschwert.
Was ist die Ursache für eine Tarlov-Zyste?
Die genaue Entstehung von Tarlov-Zysten ist noch unklar. Es wird angenommen, dass Faktoren wie Entzündungen, Verletzungen, degenerative Veränderungen oder eine genetische Veranlagung zur Bildung dieser Zysten beitragen können. Zu den häufigsten Hypothesen zählen ein angeborenes Risiko, eine Erweiterung der weichen Hirnhäute mit anschliessender Abkapselung oder ein erhöhter Druck im Hirnwasserraum aufgrund von Bindegewebsschwäche *.
Welche Symptome verursacht eine Tarlov-Zyste?
Die meisten Tarlov-Zysten verursachen keine Beschwerden *. Nur ein kleiner Teil führt zu Symptomen, meist dann, wenn sie durch den Druck des Hirnwassers wachsen *, *, *, *, *. Dadurch können die Zysten Nervenfasern dehnen oder gegen umliegende Knochen drücken *, *. Abhängig von ihrer Lage treten verschiedene Symptome einer Nervenkompression auf *, *, *, wie:
- ausstrahlende Schmerzen entlang der Nervenwurzeln, ähnlich einem Ischiasschmerz
- Probleme mit Blase oder Darm
- lokale Kreuzschmerzen, besonders bei grösseren Zysten *, *, *, *
In seltenen Fällen werden Tarlov-Zysten auch mit sexuellen Funktionsstörungen in Verbindung gebracht, jedoch ist dies noch unzureichend untersucht *, *, *. Am häufigsten strahlen die Schmerzen in den Oberschenkel, den Bereich des Afters oder des Dammes aus und können durch Stehen, Husten oder Pressen verstärkt werden *. Grosse Zysten üben zusätzlich Druck auf die Knochenhaut des Kreuzbeins aus, was lokale Schmerzen verursacht.
Auch relativ kleine Zysten können schon Symptome auslösen. Zudem werden Probleme wie Blasen-, Darm- oder sexuelle Funktionsstörungen im Arztgespräch häufig nicht angesprochen oder erfragt. Dadurch werden Tarlov-Zysten oft als Zufallsbefund betrachtet und nicht behandelt, was für Betroffene zu lang anhaltendem Leidensdruck führen kann. Falsche oder unzureichende Behandlungen können ausserdem zu wiederkehrenden Symptomen, dauerhaften Beschwerden und Frustration bei den behandelnden Ärzten führen. *
Wie wird eine Tarlov-Zyste diagnostiziert?
Tarlov-Zysten sind in der Regel in einer Magnetresonanztomografie (MRT bzw. MRI von engl. magnetic resonance imaging) der Wirbelsäule sichtbar. Ausgehend davon erfolgt selektiv der Einsatz weiterer diagnostischer Massnahmen wie eine CT-Myelografie und eine urodynamische Untersuchung.
Wie wird eine Tarlov-Zyste behandelt?
Wenn eine Tarlov-Zyste im bildgebenden Verfahren nachgewiesen wird, ist eine sorgfältige Abklärung notwendig, ob sie tatsächlich die Ursache der Beschwerden ist, da sie nicht immer dafür verantwortlich sein muss *. Wie bereits erwähnt, verursacht die Mehrheit der Tarlov-Zysten keine Symptome und sollte daher nicht behandelt werden *. Das bedeutet nicht, dass die Beschwerden der Patienten unglaubwürdig sind, sondern dass diese oft unabhängig von der Zyste bestehen.
Grössere Zysten (>1–1,5 cm) können jedoch radikuläre Schmerzen oder Blasen- und Darmstörungen auslösen, und in solchen Fällen sollte eine Behandlung erwogen werden *, *. Vor allem Patienten, deren Beschwerden sich bei Lagewechsel oder Pressen verstärken, könnten von einer Therapie profitieren *. Eine gründliche Untersuchung und zusätzliche diagnostische Tests sind dabei unerlässlich.
Chirurgische Behandlung
Um herauszufinden, ob eine Operation sinnvoll ist, kann es hilfreich sein, die Zyste zunächst durch eine CT-gesteuerte Nadel zu entleeren. Wenn Patienten dadurch eine Linderung ihrer Symptome verspüren, ist es wahrscheinlich, dass sie auch von einer chirurgischen Behandlung profitieren. *
Behandlungsansätze
Die optimale chirurgische Vorgehensweise bei Tarlov-Zysten ist weiterhin Gegenstand von Diskussionen *, *. Es gibt verschiedene Ansätze, die in drei Kategorien unterteilt werden können:
- Drucksenkung der Zyste: Dies geschieht durch eine Ableitung des Hirnwassers, um den Druck in der Zyste zu verringern (z. B. lumboperitonealer Shunt). *, *
- Flüssigkeitsentnahme aus der Zyste: Dabei wird die Zyste punktiert, um die Flüssigkeit abzulassen. Diese Methode hat jedoch eine hohe Rückfallquote. *, *, *
Offene chirurgische Zystenraffung: Dies geschieht in der Regel mit einer Unterbindung der Kommunikation zum Duralschlauch. *, *, *, *, *, *
Eine sorgfältige Auswahl der Patienten und eine individuell angepasste Therapie sind für den Behandlungserfolg entscheidend.
Mögliche Komplikationen
Die Komplikationsrate nach der Operation liegt laut Studien zwischen 5 und 20 %. Die häufigsten Komplikationen sind Infektionen, Hirnwasserverlust (Liquorlecks), vorübergehende Schmerzverstärkung, sexuelle Funktionsstörungen sowie Probleme bei der Blasen- und Darmentleerung. Zudem ist bei etwa 30 % der Patienten mit einem Rückfall der Zyste zu rechnen. *, *
Die Häufigkeit von Komplikationen ist auch stark von der chirurgischen Erfahrung mit diesem Eingriff abhängig.
Unsere Erfahrungen am Inselspital
Viele Patienten profitieren von einer chirurgischen Behandlung, wenn vorher eine sorgfältige Patientenselektion stattgefunden hat. Allerdings ist eine deutliche Verbesserung der Beschwerden nur bei etwa 50 % der Patienten zu erwarten, auch wenn in vielen Studien höhere Zahlen angegeben werden. *, *, *, *, *, *, *, *
Die Behandlung hat den grössten Erfolg bei radikulären Schmerzen, also Schmerzen, die von einer oder mehreren Nervenwurzeln im Bereich der Wirbelsäule ausgehen. Der Effekt auf sexuelle Funktionsstörungen ist eher gering. *, *, * Bei Blasenentleerungsproblemen spielt die Dauer der Beschwerden eine wichtige Rolle: je kürzer sie dauern, desto besser ist die Prognose.
Ideale Kandidaten für eine Operation sind Patienten mit grossen Zysten (über 1,5 cm) und kurzfristigen radikulären Beschwerden. *
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