Am 4. und 5. April 2023 fand im Kursaal von Bern der erste Simulations-Workshop für intrakranielle Aneurysma-Mikrochirurgie statt. Im Rahmen dieses zweitägigen Kurses konnten angehende oder ausgebildete Neurochirurginnen und Neurochirurgen ihre mikrochirurgischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Aneurysma-Chirurgie praktisch und theoretisch vertiefen.

Aneurysma-Operationen gehören zu den heikelsten Eingriffen der Neurochirurgie. Die Wahl der Eingriffsart, die Planung der Route und der Eingriff am Blutgefäss stellen höchste Anforderungen an die Operateure. Neben einem theoretischen Teil mit Vorträgen von ausgewiesenen internationalen Experten der Aneurysma-Chirurgie stehen deshalb vor allem praktische Übungen am Operationssimulator auf dem Programm. Dieser innovative 4D-Aneurysma-Simulator wurde am Inselspital in Zusammenarbeit mit der Universität Bern entwickelt und brachte den Durchbruch bei Aneurysma-Operationen in punkto Risikominimierung und Patientensicherheit.

Interview mit PD Dr. med. David Bervini

Wir haben im Vorfeld ein Interview mit einem der Hauptorganisatoren geführt. PD Dr. med. David Bervini ist Oberarzt und Spezialist für vaskuläre Neurochirurgie an der Universitätsklinik für Neurochirurgie des Inselspitals Bern.

Herr Dr. Bervini, warum sind Aneurysmen-Operationen so gefährlich?
Bervini: Etwa 2 bis 3 von 100 Erwachsenen haben ein Aneurysma ‒ sehr oft, ohne etwas davon zu spüren. Aneurysmen sind ballonartige Erweiterungen einer Hirnarterie, die reissen und so schwere Hirnblutungen verursachen können. Ihre neurochirurgische Entfernung ist äusserst anspruchsvoll. Eine sorgfältige Abwägung des Risikos einer Ruptur gegen die Risiken eines Eingriffs ist deshalb unbedingt notwendig.

Aneurysma-Operationen sind vor allem deshalb so heikel, weil es sich um empfindliche anatomische Strukturen handelt, die im Hirn oft schwer zugänglich sind und sich von Patient zu Patient auch unterscheiden. Der kleinste Fehler oder die kleinste Fehleinschätzung können den chirurgischen Eingriff drastisch erschweren und zu schwerwiegenden und potenziell katastrophalen neurologischen Komplikationen führen. Eine Minimierung der Risiken eines solchen Eingriffs hat deshalb höchste Priorität.

Was macht nun genau der 4D-Aneurysma-Simulator?
Bervini: Der Simulator bietet eine realistische, individualisierte, optische und haptische Übungsmöglichkeit an einer 3D-Kopie des Schädels, des Hirns und neu auch der Blutbahnen einer Patientin oder eines Patienten. Chirurginnen und Chirurgen finden im Simulator 1:1 die Situation vor, die sich ihnen später während der realen Operation stellen wird.

Weltweit einzigartig ist die Erweiterung auf eine 4D-Simulation, bei der auch die zeitlichen Aspekte von Blutbahnen mit Puls und Blutfluss korrekt simuliert werden. Der 4D-Simulator wird sowohl für die Planung eines Eingriffs wie auch für Echtzeitübungen am konkreten Fall eingesetzt. Durch die so perfektionierte Planung und Übung eines Eingriffs wird das Operationsrisiko für die Patientinnen und Patienten erheblich gesenkt.

Wer hat den Aneurysma-Simulator entwickelt?
Bervini: Die Entwicklung ist das Ergebnis aus einer Zusammenarbeit zwischen der Klinik für Neurochirurgie des Inselspitals Bern und des ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern. Das Projekt wurde von mehreren Forschungs- und Entwicklungsfonds unterstützt und mit einigen Preisen ausgezeichnet. Wir haben inzwischen das Start-up-Unternehmen SurgeonsLab AG gegründet, um den Simulator weiterzuentwickeln und auch zu vermarkten. Der Simulator ist nicht nur in der vaskulären Neurochirurgie einsetzbar, sondern auch interessant bei endovaskulären Interventionen oder anderen chirurgischen Krankheitsbildern.

Warum haben Sie einen Workshop organisiert? Was lernt man dort?
Bervini: Wir sind davon überzeugt, dass der Simulator ein innovatives Werkzeug ist, das eine wichtige Rolle bei der Ausbildung unserer jungen Chirurginnen und Chirurgen spielen kann. Die rasante Entwicklung der Technologie macht es heute möglich, hochentwickelte Hirnumgebungen zu simulieren, was in der Vergangenheit so bisher nicht erreicht wurde. Dies ist auch deshalb so wichtig, weil die neue Generation von Neurochirurginnen und Neurochirurgen aus verschiedenen Gründen immer weniger mit diesen komplexen Operationen in Berührung kommt.

Die Idee des Workshops ist es, einen qualitativ hochwertigen Hands-on-Unterricht anzubieten. Die intraoperativen chirurgischen Bedingungen werden so realitätsnah wie möglich nachgestellt. Ergänzt wird der praktische Teil durch Vorträge und Fallbesprechungen, die eine Diskussion und einen offenen Austausch zwischen Teilnehmern und international anerkannten Spezialistinnen und Spezialisten ermöglichen.

Für wen ist der Workshop nützlich?
Bervini: Der Workshop richtet sich in erster Linie an Neurochirurginnen und Neurochirurgen, die an der Behandlung von intrakraniellen Aneurysmen interessiert sind und auf diesem Gebiet mikrochirurgische Kenntnisse erwerben und/oder vertiefen möchten. Wir stellen am Workshop verschiedene Simulatorenmodelle von unterschiedlicher Komplexität zur Verfügung. Dies ermöglicht es, mikrochirurgische Fertigkeiten zu üben, die dem individuellen Niveau jeder Teilnehmerin und jedes Teilnehmers angepasst sind. Der Workshop ist international und wird von der Schweizerischen Gesellschaft für Neurochirurgie (SGN) und der European Association of Neurosurgical Societies (EANS) anerkannt und gefördert.

Was ist das Ziel für die Zukunft?
Bervini: Die Rolle der Simulation in der Medizin ist hochaktuell, und viele Fachrichtungen haben Simulationen bereits in ihren Ausbildungslehrplan aufgenommen. Simulation ist ein sicherer, effizienter und innovativer Weg, um einen hohen Standard in der Ausbildung und bei der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Unser Ziel ist es, den Zugang zum Simulator für zukünftige Generationen von vaskulären Neurochirurginnen und Neurochirurgen weiter auszubauen. Wir wünschen uns, dass dieser Workshop regelmässig stattfinden kann und dass das Inselspital und die Universität Bern in diesem Bereich Pionierarbeit leisten werden.

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