Bei einem Bandscheibenvorfall oder auch Diskushernie handelt es sich um eine Volkskrankheit, denn etwa 5 % aller Menschen sind mindestens einmal im Leben davon betroffen. Die Ursachen dafür sind die Alterung und Abnutzung der Wirbelsäule, die bereits ab dem 20. Lebensjahr einsetzen. Durch den zunehmenden Verschleiss des äusseren Faserrings der Bandscheibe können Gewebestückchen in den Wirbelkanal austreten und dort Nerven und Rückenmark zusammendrücken. Einseitige körperliche Belastungen und eine nicht ausbalancierte Körperhaltung beim Heben begünstigen einen solchen Bandscheibenvorfall. Bei den Betroffenen kommt es zu Rückenschmerzen und eventuell zu Taubheitsgefühlen in Armen und Beinen.
Oftmals bildet sich ein Bandscheibenvorfall von alleine oder unter konservativer Therapie teilweise oder vollständig zurück. Eine Operation ist immer dann angezeigt, wenn entweder deutliche neurologische Ausfälle auftreten oder starke Schmerzen trotz Medikamentengabe, Physiotherapie und entzündungshemmenden Spritzen über 6–12 Wochen bestehen bleiben.
Die Therapie der Wahl ist eine mikrochirurgische minimalinvasive Operation über einen speziellen gewebeschonenden Zugang und unter dem hochauflösenden Operationsmikroskop oder mit einem Endoskop. Die Ergebnisse der Operation sind bei sorgfältiger Indikationsstellung besser als bei andauernder konservativer Therapie wie diese beiden Studien *, * aufzeigen.
Übersicht über verschiedene Bandscheibenvorfälle
Am Inselspital werden alle Wirbelsäulenoperationen von einem spezialisierten Team mit erfahrenen Chirurgen durchgeführt. Minimalinvasive und mikrochirurgische Techniken wie die Operation unter einem hochauflösenden Mikroskop gehören zum täglichen Standard in der Neurochirurgie. Diese Techniken ermöglichen einen gewebeschonenden Eingriff und sorgen für eine schnellere Erholung des Patienten.
Am Inselspital arbeiten Spezialisten aller Fachgebiete unter einem Dach eng zusammen und stimmen sich miteinander ab. Durch die Zusammenarbeit von Rheumatologie, Physiotherapie, Neurologie, Neuroradiologie, Schmerzzentrum und Orthopädie kann für den Patienten die optimale Behandlungsstrategie interdisziplinär erarbeitet werden. Komplizierte Fälle werden in einem interdisziplinären Board besprochen und oft auch gemeinsam von Neurochirurgen und Orthopäden operiert. So schaffen wir die Voraussetzung für die bestmögliche Behandlung für jeden einzelnen Patienten.
Welche Funktion erfüllt die Bandscheibe?
Die Bandscheibe ist eine knorpelige Scheibe zwischen zwei benachbarten Wirbeln und dient als Stossdämpfer und Bewegungsscharnier. Der Mensch hat 23 Bandscheiben, vom zweiten Halswirbel bis zum Steissbein. Nur wegen der Bandscheiben kann sich die Wirbelsäule so flexibel bewegen.
Eine Bandscheibe besteht aus drei Anteilen: einem gallertartigen inneren Kern (Nucleus pulposus), einem kräftigen äusseren Faserknorpelring (Anulus fibrosus) und den knorpeligen Anteilen am oberen und unteren Ende, die in die Wirbelkörper übergehen. Die Bandscheibe verteilt das Gewicht, das auf den einzelnen Wirbelkörpern liegt, gleichmässig vom oberen auf den unteren Wirbelkörper.
Volkskrankheit Bandscheibenvorfall?
Der Preis für die Beweglichkeit und stossdämpfende Funktion der Wirbelsäule ist ihr Verschleiss mit zunehmendem Alter. Es kommt über die Jahre zu Knochenverdickungen, Bandlockerungen und Abnutzungen der Bandscheibe. Diese Verschleisserscheinungen können bereits ab dem 20. Lebensjahr beginnen und werden durch einseitige Belastung, falsche Körperhaltung beim Heben und andere Faktoren beschleunigt. So konnte in mehreren Studien auch eine genetische Veranlagung für eine schnellere Degeneration der Bandscheibe gezeigt werden. Der Verschleiss ist praktisch nicht vermeidbar.
Veränderungen an der Wirbelsäule und Vorwölbungen (Protrusionen) der Bandscheibe sind bei der Mehrzahl der Menschen per Magnetresonanztomografie (MRT bzw. MRI von engl. Magnetic Resonance Imaging) erkennbar, verursachen meistens keine Beschwerden und haben deshalb keinen Krankheitswert. Von einem Bandscheibenvorfall sind jedoch etwa 5 % aller Menschen mindestens einmal im Leben betroffen. Darum handelt es sich um eine echte Volkskrankheit.
Was passiert bei einem Bandscheibenvorfall?
Die häufigsten Synonyme für einen Bandscheibenvorfall sind Diskushernie, Bandscheibenhernie oder Nucleus-pulposus-Prolaps. Sie alle beschreiben den pathologischen Vorgang: Durch Risse im äusseren Bindegeweberings, dem Anulus fibrosus, tritt Gewebe aus dem inneren Kern der Bandscheibe, dem Nucleus pulposus, in Richtung des Spinalkanals oder der Nervenwurzeln aus.
Steht das Gewebe noch mit dem Inneren der Bandscheibe in Verbindung und wölbt sich der Anulus fibrosus nur vor, spricht man von einer Bandscheibenprotrusion. Ein sequestrierter Bandscheibenvorfall liegt dann vor, wenn das Gewebestück aus dem Inneren der Bandscheibe vollständig herausgelöst wird. Dieses herausgebrochene Bandscheibenstück kann eine Grösse von wenigen Millimetern bis hin zu 2 cm aufweisen. Problematisch wird es, wenn das Bandscheibenstück in den Spinalkanal austritt und dort Nervenwurzeln oder Rückenmark komprimiert. Je nach Grösse und Lage des Vorfalls können dann unterschiedliche Symptome für lumbale, thorakale oder zervikale Bandscheibenvorfälle auftreten.
Wann sollte ein Bandscheibenvorfall operiert werden?
Bei Fällen, in denen (noch) nicht operiert werden muss, arbeiten wir in der konservativen Therapie eng mit den anderen Disziplinen des Rückenzentrums im Inselspital zusammen. Dies sind beispielsweise die Rheumatologie oder das Schmerzzentrum. Die meisten Bandscheibenbeschwerden verlieren sich nach wenigen Tagen bis Wochen durch Schonung in der akuten Phase, Medikamente und Physiotherapie. Bessern sich die Schmerzen innerhalb von 6 Wochen aber nicht deutlich oder liegen stärkste Schmerzen oder sogar ein Kraftverlust vor, sollte man eine operative Entlastung prüfen. Ein absolut dringlicher Notfall für eine sofortige Zuweisung in die Neurochirurgie liegt dann vor, wenn ein kompletter Kraftverlust eines Muskels oder eine Blasenentleerungsstörung auftreten.
Warum Sie sich am Inselspital behandeln lassen sollten
Ein neurochirurgischer Eingriff bei einem Bandscheibenvorfall wird bei uns immer minimalinvasiv unter dem Operationsmikroskop durchgeführt. Es gibt auch invasivere Verfahren wie die Implantation einer Prothese oder eine Versteifungsoperation, aber man sollte zunächst immer mit dem einfachsten und schonendsten Verfahren beginnen.
In der Neurochirurgie des Inselspitals zählt die Bandscheibenoperation zu einem der häufigsten Eingriffe. Weitere Informationen zu den genauen Therapieplänen der unterschiedlichen Bandscheibenvorfälle finden Sie in den einzelnen Unterkapiteln.
Weiterführende Literatur
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Referenzen
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