Radiochirurgie ist eine spezielle Form der Strahlentherapie und wichtiger Bestandteil der modernen Neurochirurgie. Es handelt sich dabei um eine Hochpräzisionsbestrahlung, die die millimetergenaue und hochintensive Bestrahlung eines bestimmten Zielpunkts im Gehirn ohne einen invasiven Eingriff ermöglicht. Mit Hilfe der Radiochirurgie lässt sich der Behandlungseffekt der Strahlung auf das kranke Gewebe maximieren, ohne dabei das gesunde Hirngewebe zu schädigen.
Bei welchen Erkrankungen setzen wir Radiochirurgie ein?
Operationen in bestimmten Hirnregionen sind sehr risikobehaftet. Sie können ganz oder auch teilweise vermieden werden, wenn man stattdessen eine radiochirurgische Behandlung vornimmt.
Radiotherapie kommt zum Einsatz bei
- verschiedenen gut- oder bösartigen Hirntumoren
- Gefässmissbildungen
- funktionellen Störungen (wie z. B. Trigeminusneuralgie, fokaler Epilepsie oder Tremor)
Die Radiochirurgie kann dabei alleine oder in Kombination mit mikrochirurgischen oder endovaskulären Techniken eingesetzt werden.
Um für jeden einzelnen Patienten die für ihn bestmögliche Behandlung zu erzielen, wird bei uns am Inselspital jeder Patientenfall einzeln von einem interdisziplinären Ärzteteam evaluiert und diskutiert. Gemeinsam werden die Patienten festgelegt, bei denen eine Radiochirurgie indiziert ist.
Wie läuft eine radiochirurgische Behandlung bei uns ab?
Während der Vorbereitung und Durchführung der Bestrahlung arbeiten Neurochirurgen, Radioonkologen, Physiker und Fachpersonen der medizinisch-technischen Radiologie (MTRA) eng zusammen. Für eine präzise Radiotherapie ist eine gute Vorplanung mit Hilfe bildgebender Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT oder MRI von engl. für Magnet Resonance Imaging) sehr wichtig.
Schritt 1: Erstkonsultation
Während der ersten ambulanten Konsultation werden Sie vom Arzt über Ablauf, Ergebnisse, Risiken und eventuelle Nebenwirkungen der Behandlung (Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel) aufgeklärt. Kommt eine Bestrahlung in Frage, werden Sie schriftlich über Ihren Bestrahlungstermin informiert.
Schritt 2: Maske
Für die Behandlung ist vorab die Anfertigung einer Maske notwendig. Die Bestrahlungsmaske besteht aus vier Schichten, die jeweils in warmem Wasser weich gemacht werden, um sie exakt an Ihre Kopf- und Gesichtsform anzupassen. Ähnlich wie beim stereotaktischen Rahmen wird an der Maske eine Plexiglasbox festgeschraubt, welche ein dreidimensionales Koordinatensystem für die CT-Bildgebung repräsentiert. Damit können das Volumen der Läsion oder der zu behandelnden Region und die Grenzen der zu bestrahlenden Felder genau bestimmt werden.
Für die Herstellung der Maske werden ein oder mehrere ambulante Termine benötigt.
Schritt 3: Bildgebung
Neben dem Termin für die Bestrahlung werden Sie für MRI- und CT-Untersuchungen aufgeboten.
Eventuell wird Ihnen Blut abgenommen, um die Blutwerte für die Nierenfunktion zu bestimmen. Dies ist notwendig, wenn bei der bildgebenden Untersuchung ein Kontrastmittel gespritzt werden muss.
Im Falle einer Angiografie wird diese direkt am Behandlungstag mit der Rahmenanlage durchgeführt (stereotaktische Angiografie).
Schritt 4: Bestrahlungsplan
Physiker, Radioonkologen und Neurochirurgen planen die Bestrahlung auf der Grundlage der CT-Bilder, der MRI-Bilder und anderer Untersuchungen. Sie legen dabei die zu bestrahlenden Parameter fest – unter anderem Grösse, Form und Anordnung der Bestrahlungsfelder. Dieser sehr komplexe Prozess dauert mehrere Stunden. Der vollständige Bestrahlungsplan wird bis zur Erstbestrahlung fertiggestellt.
Schritt 5: Radiochirurgische Behandlung
An unserer Klinik kommt eines der modernsten Geräte zur radiochirugischen Behandlung, das sogenannte CyberKnife®, zum Einsatz. Das CyberKnife wird mit der Position des Tumors aufgrund der computertomografischen und magnetresonanztomografischen Bilder programmiert. Mit Hilfe eines integrierten Röntgensystems werden die programmierten Daten mit aktuellen Bildaufnahmen während der Bestrahlung kontinuierlich verglichen und Bewegungen des Tumors (Abweichungen) sofort korrigiert.
Ein stereotaktisches CT kann mit Maske durchgeführt werden. Wenn ein Angiogramm benötigt wird, wird dieses separat durchgeführt. Auf dem Behandlungstisch des Bestrahlungsgeräts werden Sie in der Bestrahlungsmaske exakt positioniert, genau in der gleichen Position wie zuvor am CT. Ein stereotaktischer Rahmen wird unter Lokalanästhesie angelegt und unmittelbar nach der Bestrahlung wieder abgenommen.
Die Behandlung wird durch die zuständigen Ärzte und das technische Fachpersonal genau überwacht. Sie stehen mit dem Patienten per Video- und Sprachübertragung in ständigem Kontakt. Von der Bestrahlung selbst spüren Sie nichts. Die Dauer der Bestrahlung ist abhängig von der Komplexität des Bestrahlungsplans und kann von 20 Minuten bis zu 1,5 Stunden dauern.
Schritt 6: Nach der Radiochirurgie
Im Anschluss an die Bestrahlung wird die Maske entfernt. Sie können wieder nach Hause gehen. Auf Grund möglicher Nebenwirkungen bitten wir Sie jedoch, nicht selbst mit dem Auto zu fahren, sondern in Begleitung zu kommen. In gewissen Fällen werden Sie zur Überwachung einen Tag im Inselspital bleiben.
Was ist die CyberKnife-Technologie?
An unserer Klinik kommt eines der modernsten Geräte zur radiochirugischen Behandlung, das sogenannte CyberKnife®, zum Einsatz. Dieses fortschrittliche System vereint verschiedene fortschrittliche Technologien, darunter:
- ein hochpräziser, computergesteuerter Roboterarm mit integrierter Bildführung
- ein hochauflösender Multilamellenkollimator (multileaf collimator, MLC) für die präzise Bestrahlung grösserer Tumoren
- ein bildgestütztes Tumor-Ortungssystem
- ein fortschrittliches Patienten-Positionierungssystem
Das CyberKnife® ist das einzige nichtinvasive, robotergesteuerte radiochirurgische System für die hochkomplexe und millimetergenaue Bestrahlung von Tumoren an beliebigen Stellen des Körpers. Das Zusammenspiel dieser Technologien ermöglicht eine Bestrahlung aus über tausend verschiedenen Winkeln. Dadurch können auch Tumoren oder Metastasen in so sensiblen Körperbereichen wie dem Gehirn unter maximaler Schonung des umliegenden, gesunden Gewebes sicher bestrahlt werden.
Anders als beim sehr verbreiteten Gamma-Knife wird die Strahlung nicht von einer radioaktiven Substanz (Cobalt-60), sondern von einem Linearbeschleuniger erzeugt. Dadurch ist die austretende Strahlendosis genau bekannt und nimmt nicht mit dem Alter der Strahlenquelle ab.
Was ist der Unterschied zwischen Radiochirurgie und normaler Bestrahlung?
Die Empfindlichkeit von Zellen gegenüber ionisierender Strahlung ist in den verschiedenen Körpergeweben sehr unterschiedlich und hängt in hohem Masse davon ab, wie schnell sich ein Gewebe regeneriert bzw. wie schnell es wächst.
Es gibt in jedem Gewebe und auch in Tumoren Zellen, die sehr unempfindlich auf Strahlung reagieren, da sie sich in einer Ruhephase befinden. Das bedeutet, dass ihr Erbgut, die DNA, stark kompaktiert vorliegt und Reparaturmechanismen wirksam die durch Bestrahlung verursachten DNA-Schäden ausgleichen können.
Bei sich schnell teilenden Geweben befindet sich zu jedem Zeitpunkt ein grosser Anteil der Zellen in der Phase der Zellteilung. Während der Zellteilungsphase ist das Erbgut besonders empfindlich gegenüber Strahlen.
Konventionelle Bestrahlung
Bei konventioneller (fraktionierter) Bestrahlung versucht man, den Anteil der zerstörten Tumorzellen zu erhöhen, indem man mehrere Tage in Folge bestrahlt. Eine weitgehend selektive Schädigung des Tumors wird dadurch erreicht, dass sich das gesunde Gewebe durch die Gabe der Gesamtstrahlendosis in kleinen Portionen (1–2 Gray pro Sitzung) zwischen den Behandlungen wieder erholen kann, während das Gewebe von strahlenempfindlichen und sich schneller teilenden Tumoren dies weniger gut kann. Dies setzt allerdings eine Empfindlichkeit des zu behandelnden Gewebes gegenüber radioaktiver Strahlung voraus.
Radiochirurgische Bestrahlung
Die Radiochirurgie nutzt hingegen durch das besondere Verfahren der Strahlenfokussierung. Dies bedeutet, dass die Ärzte aufgrund der millimetergenauen Präzision dieser Technik eine sehr hohe Strahlendosis einsetzen können, ohne das umgebende strahlenempfindliche Gewebe zu schädigen. So können auch Zellen in Ruhephasen ausreichend geschädigt werden. Die radiochirurgische Behandlung ist in der Regel eine sogenannte Einzeitbestrahlung, wird also in einer einzigen Behandlungssitzung verabreicht.
Unsere Erfahrung am Inselspital
Am Inselspital erfolgt jede Indikationsstellung und Planung von radiochirurgischen Behandlungen durch ein interdisziplinäres Expertenteam bestehend aus Spezialisten der Radioonkologie, Neuroradiologie, Neurochirurgie, Neurologie und Onkologie. So kann für jeden einzelnen Patienten die für ihn bestmögliche Behandlung erzielt werden.
Zu den Vorteilen einer radiochirurgischen Behandlung zählen:
- kurzer Behandlungszeitraum (1–5 Tage)
- keine chirurgische Öffnung des Schädels
- mehrheitlich ambulante Behandlung (Ein- und Austritt erfolgen am gleichen Tag)
- kurze Behandlungsdauer (zwischen 20 Minuten und 1,5 Stunden – abhängig von der Grösse und Anzahl der zu behandelnden Läsionen)
- kurze Arbeitsunfähigkeit (1–2 Tage).
- Übernahme der Behandlung durch die Krankenversicherung ohne vorherige Kostengutsprache