Wenn der Neurochirurg im Vorfeld einer Hirnoperation präzise weiss, wo funktionelle Hirnareale liegen, kann er den Eingriff sicher planen und das Risiko möglicher Folgeschäden minimieren. Eine solche Hirnkartierung ist möglich mit Hilfe der navigierten transkraniellen Magnetstimulation (nTMS). Es handelt sich dabei um eine nicht-invasive, neurophysiologische Technik, mit der wichtige Funktionen im Gehirn wie auf einer Landkarte millimetergenau lokalisiert werden. Sie zeigt beispielsweise, wo genau das für Motorik zuständige Hirnareal liegt und wie gross der Sicherheitsabstand zu einem Tumor ist.
Was ist eine transkranielle Magnetstimulation (TMS)?
TMS ist ein nicht-invasives Verfahren, bei dem Nervenzellen im Gehirn von aussen angeregt werden. Dabei wird eine Magnetspule auf die Kopfhaut des Patienten gesetzt. Die Spule erzeugt schnell wechselnde Magnetfelder, die einen kurzen elektrischen Impuls im Gehirn auslösen. Dieser Impuls aktiviert die Verbindung zwischen dem motorischen Kortex – dem Bereich des Gehirns, der Bewegungen steuert – und den entsprechenden Muskeln. Das Signal wird in Form eines Aktionspotenzials über die Muskelzellen weitergeleitet, wodurch der Muskel kontrahiert.
Wie funktioniert die navigierte TMS?

Durch die Registrierung des Kopfes des Patienten im dreidimensionalen Raum und die Integration der Daten in die Neuronavigation lässt sich der genaue Ort der Magnetspule auf dem MRI-Bild des Patienten darstellen. So kann präzise gezeigt werden, welcher Bereich des Gehirns stimuliert wird. Wird zum Beispiel das Handareal des motorischen Kortex angeregt, bewegen sich die Finger. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Funktion einzelner Areale testen, sondern auch ihre räumliche Beziehung zu benachbarten Hirnregionen erkennen.
Die während der Stimulation erzeugten motorisch evozierten Potenziale (MEPs) können gemessen, visualisiert und analysiert werden. Diese Informationen sind besonders wertvoll für die Operationsplanung, da sie helfen, funktionell wichtige Bereiche zu schonen.
Durch wiederholte Stimulation an verschiedenen Stellen der Kopfhaut und die Aufzeichnung der Muskelreaktionen können Neurologen und Neurochirurgen exakt darstellen, welche Gehirnbereiche für bestimmte Bewegungen oder Funktionen verantwortlich sind.
Wie läuft eine navigierte transkranielle Magnetstimulation (nTMS) ab?
Zu Beginn nehmen Sie auf einem speziellen Stuhl Platz. Das aktuelle Bild Ihres Gehirns aus einer Magnetresonanztomografie (MRT oder MRI von engl. magnetic resonance imaging) wird in das Gerät eingelesen. Anschliessend werden drei Referenzpunkte am Kopf bestimmt und mit einer Infrarotkamera erfasst. So ist eine millimetergenaue Stimulation möglich.
Je nachdem, welches motorische Zentrum in Ihrem Fall untersucht werden soll, werden Klebeelektroden an den entsprechenden Muskeln angebracht. Mithilfe einer Elektromyografie (EMG) kann die elektrische Muskelaktivität gemessen und grafisch dargestellt werden. Ihre wichtigste Aufgabe während der Untersuchung ist es, sich zu entspannen.
Mit der Magnetspule wird nun das motorische Zentrum der zu untersuchenden Muskeln lokalisiert, und es wird eine präzise funktionelle Karte erstellt. Diese Karte unterstützt den Neurochirurgen bei der Planung einer sicheren und schonenden Tumorentfernung *.

Bessere Voraussagen nach der Operation
In seltenen Fällen kann es nach einer Operation in unmittelbarer Nähe des Bewegungszentrums zu einer Krafteinschränkung kommen. Mit der gleichen Untersuchungsmethode lässt sich in solchen Fällen vorhersagen, wie schnell eine Erholung stattfinden wird. Zeigen die Messungen gute Reaktionen an Armen und Beinen, ist eine rasche Genesung wahrscheinlich *.

Unsere Erfahrung am Inselspital
Am Inselspital engagieren wir uns aktiv in der Weiterentwicklung innovativer Methoden wie der navigierten transkraniellen Magnetstimulation. Im Rahmen internationaler Forschungsprojekte und Studien untersuchen wir kontinuierlich neue Techniken, um die Präzision und Sicherheit neurochirurgischer Eingriffe zu verbessern. So tragen wir dazu bei, die operative Planung zu optimieren.
Referenzen
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Krieg SM, Lioumis P, Makela JP, et al. Protocol for motor and language mapping by navigated TMS in patients and healthy volunteers; workshop report. Acta neurochirurgica. 2017;159:1187-1195.
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Seidel K, Häni L, Lutz K, Zbinden C, Redmann A, Consuegra A, Raabe A, Schucht P. Postoperative navigated transcranial magnetic stimulation to predict motor recovery after surgery of tumors in motor eloquent areas. Clin Neurophysiol. 2019 Jun;130(6):952-959.