Eine Syringomyelie oder auch Syrinx ist eher selten. Man versteht darunter einen länglichen, mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum im Rückenmark, der vor allem in der Halswirbelsäule zu beobachten ist. Im Verlauf kann die Syrinx in Länge und Breite an Grösse zunehmen und das Rückenmark zunehmend schädigen. Es gibt mehrere auslösende Faktoren, die dafür verantwortlich sein können. Die Operation selbst sollte unbedingt von einem erfahrenen Neurochirurgen durchgeführt werden, da sie chirurgisch anspruchsvoll ist und die Gefahr für weitere neurologische Ausfälle gross ist.
Wie häufig ist eine Syringomyelie?
Insgesamt ist Syringomyelie ein sehr seltenes Krankheitsbild. Jährlich sind 1–2 von 1 000 000 Personen betroffen – Männer etwa doppelt so häufig wie Frauen. Die Symptome setzen meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr ein. Es gibt zwar eine familiäre Häufung, genetische Ursachen konnten bisher allerdings nicht gefunden werden.
Was sind die Ursachen für eine Syringomyelie?
Der Syringomyelie liegt immer eine Liquorzirkulationsstörung zugrunde, also eine Beeinträchtigung beim Hirnwasserfluss. Man geht davon aus, dass eine Blockade der Liquorpassage zwischen den Rückenmarkshäuten oder auch Störungen der Beweglichkeit des Rückenmarks durch Narben oder andere Fehlbildungen die auslösenden Faktoren sind. Es kommt in der Folge zu einer Höhlenbildung im Rückenmark, vorwiegend im Bereich der Halswirbelsäule. Die Ursachen für den gestörten Abfluss können dabei angeboren oder erworben sein:
Angeborene Syringomyelie
Die angeborene Syringomyelie ist meist auf eine Chiari-Malformation zurückzuführen. Bei dieser Entwicklungsstörung ist das Kleinhirn in das Foramen magnum, den Austrittskanal des Rückenmarks aus der Schädelbasis, verlagert. Die Liquorzirkulation im Schädel-Hals-Bereich ist dadurch gestört. Durch stetiges Weiterleiten des natürlichen Flusses auf das Nervengewebe, das nicht mehr ausweichen kann, kommt es zu einem Schaden im Halsbereich des Rückenmarks. Dieses Phänomen wurde 1950 von Gardner als «Wasserhammereffekt» bezeichnet.
Erworbene Syringomyelie
Die erworbene oder auch sekundäre Syringomyelie entsteht in Folge von:
- Traumen. Dabei zeigen sich klinisch fortschreitende neurologische Defizite oberhalb des Niveaus der Rückenmarksschädigung mehrere Monate bis Jahre nach dem ursächlichen Trauma.
- Entzündungen. Chronische Entzündungen können auftreten nach Meningitis, Blutungen oder Operationen innerhalb der Hirnhaut, auch mit Arachnoiditis, einer Entzündung der das Gehirn umgebenden Spinnwebenhaut (Arachnoidea).
- Tumoren und anderen Einengungen im Spinalkanal. Extramedulläre Tumoren, Osteophyten oder chronische grosse Diskushernien verursachen eine Kompression der Liquorabflusswege.
Differentialdiagnose
Vom Befund der Syringomyelie muss ein prominenter Zentralkanal (Canalis centralis), die sogenannte Hydromyelie, unterschieden werden. Durch diesen fliesst der Liquor innerhalb des Rückenmarks. Beim Erwachsenen ist der Canalis centralis bei einer Magnetresonanztomografie (MRT oder MRI von engl. Magnetic Resonsance Imaging) normalerweise nicht zu sehen. Allerdings kann eine leichte Erweiterung des Kanals manchmal im Bild zu erkennen sein. Dabei muss nicht immer eine Syringomyelie als pathologischer Befund vorliegen. Die Verdachtsdiagnosen nehmen aufgrund der verbesserten MRI-Bildgebung tendenziell zu.
Welche Symptome werden durch eine Syringomyelie verursacht?
Die Beschwerden der Syringomyelie entstehen in der Regel langsam und sind eher davon abhängig, ob sich die Hohlraumbildung in der Hals- oder in der Brustwirbelsäule befindet und weniger von ihrer Grösse. Es gibt keine typische Symptomatik. Die Beschwerden entsprechen am häufigsten denen einer zentralen Rückenmarksschädigung.
- Leitsymptom ist eine dissoziierte Sensibilitätsstörung. Dabei sind Schmerz- und Temperaturempfinden halbseitig oder jedenfalls asymmetrisch auf der betroffenen Rückenmarkshöhe gestört oder ganz aufgehoben, während Berührungen immer noch wahrgenommen werden. Dadurch kann es sein, dass oberflächliche Verletzungen wie etwa Verbrennungen vom Patienten nicht bemerkt werden.
- Auch die Tiefensensibilität, also die Wahrnehmung bestimmter Reize aus dem Körperinneren, ist mitunter beeinträchtigt.
- Des Weiteren können ausgeprägte bohrende Dauerschmerzen auftreten, die auf eine Störung der sympathischen Reizleitung zurückzuführen sind.
- Zusätzlich kann eine Läsion der zentralen sympathischen Fasern zu einem Horner-Syndrom führen oder zu Störungen der Schweissproduktion mit fehlender oder verminderter Schweissabsonderung.
- Auf motorischer Ebene kommt es durch Schädigung der Motorneuronen zu Muskelschwäche und unvollständigen Lähmungen (Paresen) der oberen Extremitäten auf Höhe der Syringomyelie. In den unteren Extremitäten kann eine beidseitige inkomplette Lähmung (Paraparese) auftreten, die sich meist nur in Form von einer gesteigerten Reflexbereitschaft (Hyperreflexie) und krankhaften Reflexen äussert. Seltener sind Spastiken oder gar Lähmungen.
- Dehnt sich die Syringomyelie auch in das obere Halsmark oder den Hirnstamm aus, zeigt sich dies in Störungen des Atemmusters (vor allem nächtliche Apnoe), der Augenbewegungen (Nystagmus) und der unteren Hirnnerven (z. B. Schluckbeschwerden).
Die Symptome bei einer Syringomyelie entwickeln sich chronisch und meist über mehrere Jahre fortschreitend. Dabei kann sich die Progression vorübergehend beschleunigen oder auch verlangsamen. Eine spontane Rückbildung ist nur in den wenigsten Fällen zu erwarten. Die sekundären Formen der Syringomyelie, insbesondere Arachnoiditis und Tumoren, zeigen einen ungünstigeren Verlauf mit allmählicher Progression.
Wie wird eine Syringomyelie diagnostiziert?
Bei Verdacht auf eine Syringomyelie sollte eine Bildgebung mittels MRI durchgeführt werden. Mit Hilfe von speziellen MRI-Sequenzen, mit denen der Liquorfluss dargestellt werden kann, oder mittels einer Myelografie mit Kontrastmittel können gestörte Liquorpassagen gefunden und lokalisiert werden. Es sollte in jedem Fall ein MRI mit intravenöser Kontrastmittelgabe gemacht werden, um einen möglicherweise zugrundeliegenden Tumor sehen zu können. Das Ausmass der neurologischen Schädigungen kann mit Hilfe von neurophysiologischen Untersuchungen eingeschätzt werden.
Wie sieht die Therapie aus bei einer Syringomyelie?
In erster Linie muss der zugrundeliegende Auslöser der Syringomyelie behandelt werden. Im Falle einer Chiari-Malformation kommt die Dekompression durch knöcherne Entlastung und eventuell Duraerweiterungsplastik im Schädel-Hals-Bereich zum Einsatz. Die Notwendigkeit einer Duraplastik ist nicht eindeutig geklärt. Deshalb sollte die individuelle Situation immer mit dem Patienten diskutiert werden, um ein unnötiges Risiko durch die Operation zu minimieren.
Ist die Ursache ein spinaler Tumor befindet sich dieser meist im Rückenmark. Die chirurgische Tumorentfernung ist anspruchsvoll und kann zu weiteren neurologischen Ausfällen führen. Deshalb muss ein erfahrener Neurochirurg anhand der genauen Tumorlage im Rückenmark und der klinischen Symptome entscheiden, ob eine Operation ratsam ist. Wird operiert, ist das Ziel die maximal mögliche Resektion, ohne dabei neue neurologische Defizite zu erzeugen.
Liegt der Syringomyelie keine eindeutige Ursache zugrunde, wird das Rückenmark entlastet und von eventuellen Membranen befreit, die den Liquorfluss behindern und die Syrinx verursachen. Damit die Liquorzirkulation unbehindert stattfinden kann, wird bei manchen Patienten eine Duraerweiterungsplastik durchgeführt.
Vor der Operation führen wir eine erweiterte Risikoabklärung bei unseren Patienten durch. Beim Eingriff selbst werden die sensitiven Rückenmarksfunktionen mit Hilfe unseres innovativen intraoperativen Neuromonotorings (IOM) überwacht. Die Einlage von Silikonröhrchen und Ähnlichem führt man heute wegen diverser Probleme nur noch in Ausnahmefällen durch.
Unterstützend können auch eine Schmerz- oder Physiotherapie erfolgen.
Warum Sie sich am Inselspital behandeln lassen sollten
Bei der Operation einer Syringomyelie ist zu beachten, dass abhängig von der zugrundeliegenden Pathologie Rezidive auftreten können, die mehrfache Operationen erforderlich machen. Wichtig ist es, den richtigen Zeitpunkt für eine Operation zu wählen. Damit kann die Lebensqualität der Patienten positiv beeinflusst werden.
Die Operation selbst sollte unbedingt von einem erfahrenen Neurochirurgen durchgeführt werden, da sie chirurgisch anspruchsvoll ist und die Gefahr für weitere neurologische Ausfälle gross ist. Bei uns am Inselspital setzen wir zur Sicherheit für unsere Patienten während des Eingriffs unser innovatives intraoperatives Neuromonitoring (IOM) ein. Dieses Verfahren ist ein Schwerpunkt unserer Klinik. Wir gehören zu den international führenden Kliniken auf diesem Gebiet, insbesondere bei der technologischen Ausstattung, den Überwachungsmethoden während der Operation, der Erfahrung aufgrund Patientenzahlen und der Zahl der wissenschaftlichen Publikationen.
Weiterführende Literatur
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