5-ALA-Fluoreszenz

Das Verfahren der 5-ALA-Fluoreszenz wird am Inselspital eingesetzt, um bösartige Tumorzellen während einer Operation sichtbar zu machen. Maligne Tumoren wachsen invasiv und infiltrierend, so dass für den Chirurgen die Ränder des Tumors oft nicht vom umliegenden gesunden Hirngewebe zu unterscheiden sind. Beim Einsatz der 5-Aminolävulinsäure oder kurz 5-ALA wird durch ein spezielles Blaulicht ein Stoffwechselprodukt der Tumorzelle zum Leuchten gebracht. Für das Auge nicht sichtbare Tumorzellen können unter diesem Licht erkannt und entfernt werden.

Wie können bösartige Tumorzellen sichtbar gemacht werden?

Ein wichtiger Baustein der modernen Tumorchirurgie ist die Gabe von 5-Aminolävulinsäure (kurz 5-ALA oder Gliolan®), die inzwischen routinemässig eingesetzt wird. 5-ALA ist eine im Körper gebildete (endogene) Aminosäure, welche als Metabolit im menschlichen Hämstoffwechsel vorkommt und dort zu Protoporphyrin IX umgewandelt wird. Wenn man nun Protoporphyrin IX mit einem speziellen blauen Licht anleuchtet, bewirkt dies ein rotes Fluoreszenzsignal.

Hier setzt nun die Methodik der 5-ALA-Fluoreszenz-Bildgebung an: Tumorzellen haben einen anderen Metabolismus als normale Zellen des Gehirns, und können wegen eines Enzymdefekts bestimmte Aminosäuren nicht gänzlich weiterverarbeiten. Dies führt zu einer Akkumulation von Protoporphyrin IX in den Tumorzellen *. Während der Operation kann durch einen speziellen Filter ein Lichtsignal von 440 nm Wellenlänge vom Operationsmikroskop ausgesendet werden, welches das in den Tumorzellen angesammelte Protoporphyrin IX in roter Farbe fluoreszieren lässt. Dadurch kann das Tumorgewebe deutlich vom umliegenden gesunden Hirngewebe unterschieden und anschliessend chirurgisch entfernt werden. Dieses Verfahren hilft also, das Resektionsausmass zu maximieren und das Operationsergebnis zu verbessern*, *.

In anderen medizinischen Fachrichtungen wie der Urologie, Ophthalmologie und Dermatologie wird dieses Verfahren schon seit längerem verwendet. Nun hat es sich nach und nach auch als Standard in der Chirurgie von bösartigen Hirntumoren durchgesetzt *.

Das intraoperativ beobachtete Fluoreszenzsignal kann sich rötlich oder eher pinkfarben zeigen. In einer prospektiven Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit der Methodik haben von 52 Patienten mit einem Glioblastom teilgenommen. Die Studie zeigte eine Korrelation des roten Signals mit ausgeprägtem Tumorgewebe, welches in der Histopathologie bereits Gefässneubildungen (Neovaskularisationen) zeigte. Dagegen konnte das pinke Fluoreszenzsignal besonders in der Übergangszone zwischen Tumorgewebe und normalem Gehirngewebe beobachtet werden konnte *.

Nutzen der 5-ALA-Fluoreszenz für die Operation und die Prognose beim Glioblastom

Der klinische Nutzen vom Einsatz von 5-ALA in der Neurochirurgie konnte in einer kontrolliert randomisierten Studie im Jahr 2006 nachgewiesen werden *. Diese wegweisende Studie zeigte, dass bei Gabe von 5-ALA eine deutlich höhere Rate an kompletten Tumorresektionen erreicht werden kann. Sie bestätigte ebenfalls die Wirksamkeit der operativen Therapie: Konnte der Tumor vollständig entfernt werden, also war am Tag nach der Operation in der Magnetresonanztomografie (MRT oder MRI von engl. Magnetic Resonance Imaging) kein Tumorrest mehr nachweisbar, dann verlängerte sich die durchschnittliche Überlebenszeit signifikant.

Bei welchen Patienten kommt 5-ALA zum Einsatz?

5-ALA kommt standardmässig bei Patienten mit Verdacht auf ein höhergradiges Gliom (Glioblastom, Astrozytom) zum Einsatz. Die pathologische Anreicherung von 5-ALA ist jedoch nicht nur auf höhergradige Gliome begrenzt, sondern kann auch beispielsweise in Metastasen oder in Meningeomen vorkommen. Die Evidenzlage der aktuellen Literatur zeigt jedoch nur bei höhergradigen Gliomen einen deutlichen klinischen Nutzen  *. Die Applikation von 5-ALA bei anderen Tumorerkrankungen wir aus diesem Grund nur in speziellen Fällen durchgeführt.

Je nach Lokalisation des Tumors kombinieren wir die 5-ALA-Fluoreszenz mit elektrophysiologischen Methoden zur intraoperativen Funktionsüberwachung, um so eine möglichst radikale Tumorresektion zu erreichen bei maximaler Patientensicherheit.

In einer unserer Studien konnten wir zeigen, dass mit 5-ALA mehr Tumorgewebe entfernt werden kann als vor der Operation in einem MRI-Bild dargestellt werden konnte. Das bedeutet, dass 5-ALA sensitiver für die Darstellung von Tumorzellen als das MRI ist. Deshalb kann durch die konsequente Verwendung von 5-ALA eine radikalere Resektion bei höhergradigen Gliomen erreicht werden *.

Welche Nebenwirkungen hat der Einsatz von 5-ALA?

Im Jahr 2007 hat 5-ALA unter dem Handelsnamen Gliolan® die Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für die intraoperative Verwendung bei malignen Gliomen erhalten.

Als relativ häufige Nebenwirkungen nach der Anwendung von 5-ALA kommen laborchemische Veränderungen im Blutbild wie Anämie, Thrombozytopenie oder Leukozytose sowie erhöhte Leberenzyme vor. Je nach Ausprägung müssen diese Nebenwirkungen weiter laborchemisch kontrolliert werden.

Bei Patienten, die an einem Enzymdefekt im Porphyrinstoffwechsel (Porphyrie) leiden, wird auf die Anwendung von 5-ALA verzichtet. Ebenso besteht in der Schwangerschaft eine Kontraindikation zur Verwendung von 5-ALA.

5-ALA gilt als potenziell phototoxische Substanz. Das bedeutet, dass Patienten für 24 Stunden nach Einnahme keinen starken Lichtquellen ausgesetzt werden sollten. Dazu zählen beispielsweise direktes Sonnenlicht, eine helle und intensive Innenbeleuchtung, aber auch die OP-Beleuchtung. Die gleichzeitige Gabe anderer potenziell phototoxischer Substanzen (z. B. Tetrazykline, Sulfonamide, Fluoroquinolone, Hypericinextrakte) sollte vermieden werden.

Referenzen

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