Funktionsüberwachung & Sicherheit durch intraoperative Neurophysiologie

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Ein Grundprinzip der modernen Neurochirurgie ist die Überwachung von Hirnfunktionen während eines chirurgischen Eingriffs: Das intraoperative Neuromonitoring (auch intraoperative Neurophysiologie, intraoperatives neurophysiologisches Monitoring, IOMN oder IOM) verwendet neurophysiologische Techniken, um die Funktionen des Nervensystems zu überwachen und zu schützen. Das Ziel ist es, neurologische Schäden während Operationen möglichst zu vermeiden, insbesondere bei Eingriffen, die in der Nähe empfindlicher neurologischer Strukturen durchgeführt werden, und so die Sicherheit der Patienten zu maximieren.

Das intraoperative Neuromonitoring (IOM) ist ein Schwerpunkt unserer Klinik. Wir zählen zu den international führenden Kliniken auf diesem Gebiet, insbesondere bei der technologischen Ausstattung, den intraoperativen Methoden, der Erfahrung, der Patientenzahl und der Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Unsere Klinik war und ist massgeblich an der Entwicklung weltweit neuer Techniken zur Vermeidung neurologischer Defizite beteiligt.

3
weltweit neue Techniken entwickelt
45
internationale Publikationen
> 6400
Operationen mit Neuromonitoring

Warum intraoperatives Neuromonitoring?

Während jeder Operation werden zwei Konzepte verfolgt:

  1. Erreichung des Operationsziels, z. B. radikale Entfernung des Tumors
  2. Vermeidung von neurologischen Defiziten durch die Operation, die die Lebensqualität des Patienten vermindern *, *.

Deshalb muss jede Operation funktionsgeleitet erfolgen *, *, *, *, *, *. Der Fokus liegt dabei auf folgenden Punkten:

Prävention von Nervenschäden

Durch IOM können Veränderungen in der Nervenfunktion, die auf eine drohende Schädigung hinweisen könnten, früh erkannt werden.

Unterstützung der chirurgischen Entscheidungsfindung

IOM stellt während des Eingriffs Echtzeitinformationen bereit, die den Chirurgen beim Zugang, der Navigation und Durchführung der Operation unterstützen.

Erhöhung der Patientensicherheit

Das Risiko für postoperative neurologische Defizite kann durch IOM-Techniken massgeblich gesenkt werden, da der Chirurg unmittelbar auf potenzielle Schädigungen reagieren kann.

Welche IOM-Verfahren gibt es?

Monitoring

Zu den Verfahren des intraoperativen Neuromonitorings zählen zum einen Methoden, die einen bekannten Funktionsort des Hirn- und Nervengewebes während der Operation konstant stimulieren und auf diese Weise überwachen, genannt Monitoring. 

Monitoring

Mapping

Zum anderen handelt es sich um Methoden, die noch unbekanntes Funktionsgewebe in der Nähe des Operationsgebiets wie mit einem «Such-Radar» aufspüren und rechtzeitig vor der Lokalisation warnen, genannt Mapping.

Mapping

Wachoperation

Auch eine Wachoperation gehört zum IOM, weil sie es ermöglicht, die Funktion kritischer Gehirnbereiche in Echtzeit zu überwachen, indem der Patient während der Operation wach und ansprechbar ist. Dies hilft, wichtige Funktionen wie Sprache und Bewegung zu erhalten, indem die entsprechenden Hirnregionen direkt kartiert und Schäden vermieden werden.

Wachoperation

Bei welchen Operationen wird das intraoprative Neuromonitoring eingesetzt?

Hirntumoren

Eine komplette oder fast komplette Resektion (engl. gross total resection oder GTR) bleibt der Goldstandard für die meisten intrakraniellen Tumoroperationen. Nachweise dafür gibt es sowohl für Glioblastome als auch für Astrozytome, Oligodendrogliome und andere Gliome *, *, *, *, *, *, *.

Ob man einen Hirntumor überhaupt operieren kann, hängt in erster Linie von seiner Lage und der Nähe zu kritischen Hirnfunktionen ab. Anhand von MRI-Bildern werden 10–20 % aller Hirntumoren fälschlicherweise als «eloquent» und inoperabel eingeschätzt *, *, *. Erst das intraoperative Mapping und Monitoring zeigen in der Realität, ob ein im Vorfeld als inoperabel bewerteter Tumor auch wirklich inoperabel ist *. Mit speziellen Mapping-Methoden kann ein solcher Tumor in der Mehrzahl der Fälle trotzdem sicher operiert werden.

Hirntumoren

Hirnaneurysmen

Beim Clipping von Aneurysmen kommt es darauf an, dass die grosse Arterie offenbleibt, während der Aneurysmasack komplett geclippt – also verschlossen – wird. Aus vielen Studien ist bekannt, dass dies bei etwa 10 % aller Operationen nicht perfekt gelingt. Hier hilft das intraoperative Neuromonitoring, Störungen der Durchblutung sofort zu erkennen, wenn diese kritisch sind. Wir verwenden bei fast allen Operationen von Aneurysmen das Monitoring der Bewegungsfunktion und der sensiblen Wahrnehmung. Beides wird in Narkose durchgeführt.

Aneurysma einer Hirnarterie

Rückenmarkstumoren

Bei dieser Art der Operation sind insbesondere die Bewegungsbahnen gefährdet. Meist liegt der Tumor in unmittelbarer Nähe einer oder beider Bahnen, bei deren Verletzung eine Querschnittslähmung auftreten kann. Operationen am Rückenmark müssen immer mit aufwändigem Monitoring von motorisch evozierten Potenzialen (MEP), sensibel evozierten Potenzialen (SEP), D-Wave und ggf. mit Mapping der Hinterstränge und Pyramidenbahn durchgeführt werden.

Rückenmarkstumoren

Vestibularisschwannome

Bei den Vestibularisschwannomen sind die Hörfunktion und die Funktion des Gesichtsnervs, Nervus facialis, von besonderer Bedeutung. Der Gesichtsnerv ist oft mit der Tumorkapsel verwachsen. Bei einer Operation kommen 7 verschiedene Überwachungstechniken gleichzeitig zum Einsatz.

Vestibularisschwannom

Hirnstammtumoren

Im Hirnstamm liegen die Kerne der Hirnnerven und alle Bahnen, die zwischen Gehirn und Rückenmark verlaufen. Es ist neben dem Rückenmark das Gebiet mit der höchsten Konzentration von wichtigen Funktionen. Eine Operation in diesem Bereich erfordert ein aufwändiges intraoperatives Neuromonitoring mit bis zu 8 verschiedenen Techniken zeitgleich.

Operationen am Hirnstamm oder der Schädelbasis

Referenzen

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Weiterführende Literatur

Bücher/Buchkapitel

Artikel