Am 8. Juni 2025 ist Welthirntumortag – ein Anlass, auf die Herausforderungen und Fortschritte in der Behandlung von Hirntumoren aufmerksam zu machen. Als Radioonkologin mit Spezialisierung in der Neuroonkologie möchte ich Ihnen heute einen Einblick geben, wie mein Alltag aussieht und wie wir im Team gemeinsam für unsere Patientinnen und Patienten kämpfen.
Mein Arbeitsalltag als Radioonkologin
Meine Arbeitswoche beginnt mit der interdisziplinären Tumorkonferenz. Sie ist ein zentraler Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der Neurochirurgie, Neuroradiologie, medizinischen Onkologie, Nuklearmedizin und Pathologie besprechen wir jeden einzelnen Fall ausführlich. Wir analysieren Bildgebung, Gewebeproben und molekulare Marker, um daraus ein individuell zugeschnittenes Therapiekonzept zu entwickeln.
Hirntumoren sind komplexe Erkrankungen. Nur durch die enge Zusammenarbeit aller Fachdisziplinen können wir eine präzise und bestmögliche Behandlung gewährleisten. Als Radioonkologin bin ich verantwortlich für die Planung und Durchführung der Strahlentherapie. Dies ist ein hochpräziser, individuell abgestimmter Prozess. Dabei geht es keineswegs einfach nur darum, «einen Knopf zu drücken».
Zunächst werte ich die MRT- und CT-Bildgebung der Patientinnen und Patienten sorgfältig aus. Ich markiere den Tumor millimetergenau und identifiziere sensible Strukturen in unmittelbarer Nähe – etwa gesundes Hirngewebe, die Sehnerven oder den Hirnstamm. Anschliessend erstelle ich mithilfe spezieller Planungssoftware ein massgeschneidertes Bestrahlungskonzept. Ziel ist es, den Tumor so effektiv wie möglich zu treffen und gleichzeitig das umliegende gesunde Gewebe maximal zu schonen.
Was unterscheidet mich von einer Onkologin oder Radiologin?
Im Unterschied zur medizinischen Onkologin, die auf medikamentöse Therapien wie Chemo- oder Immuntherapie spezialisiert ist, arbeite ich in der Radioonkologie mit hochpräziser Strahlung.
Auch von der Radiologie unterscheidet sich meine Tätigkeit deutlich: Während Radiologinnen und Radiologen vor allem für die bildgebende Diagnostik verantwortlich sind, bin ich therapeutisch tätig. Dennoch arbeiten wir eng zusammen. Insbesondere die Radiologie liefert uns entscheidende Informationen über Lage, Grösse und Entwicklung des Tumors. Ohne ihre detaillierten Bilddaten und diagnostische Expertise wäre eine gezielte und zugleich schonende Strahlentherapie nicht möglich.
Zusammenarbeit ist alles
Die Behandlung eines Hirntumors ist immer Teamarbeit – und zwar auf höchstem fachlichem Niveau. Ein Beispiel: Nach der Operation durch die Kolleginnen und Kollegen der Neurochirurgie liefert uns die Pathologie präzise Informationen über Art und Eigenschaften des Tumors. In der Neuroradiologie und Nuklearmedizin kommen ergänzende bildgebende Verfahren zum Einsatz, die uns helfen, die Zielregion der Bestrahlung noch exakter zu definieren. Gemeinsam mit der medizinischen Onkologie besprechen wir zudem mögliche Kombinationen mit Medikamenten, etwa in Form einer begleitenden Chemo- oder Immuntherapie.
Jede Fachrichtung bringt ihr spezielles Know-how ein, denn nur im Zusammenspiel können wir eine ganzheitliche und wirkungsvolle Behandlung gewährleisten.
Was mir wichtig ist
Neben aller medizinischen Präzision steht für mich immer der Mensch im Mittelpunkt. Nicht selten begegnen mir Patientinnen und Patienten mit Unsicherheit oder Ängsten gegenüber der Strahlentherapie, meist aufgrund fehlender oder verzerrter Informationen. Umso wichtiger ist eine verständliche, transparente Aufklärung im persönlichen Gespräch. Deshalb nehme ich mir Zeit, erkläre nachvollziehbar, was passiert, und begleite die Betroffenen durch die gesamte Behandlung. Jeder Mensch und jeder Tumor ist anders – genau das macht unsere Arbeit so anspruchsvoll und zugleich so erfüllend.
Zum Welthirntumortag 2025 möchte ich allen Betroffenen Mut machen: Die Therapie hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Mit moderner Technik, intensiver Forschung und einem starken Team an Ihrer Seite sind wir heute besser denn je darauf vorbereitet, gemeinsam diesen Weg zu gehen.
Dr. med. Ekin Ermis
Ekin Ermis ist Radio-Onkologin mit Schwerpunkt Neuroonkologie und Oberärztin an der Universitätsklinik für Radio-Onkologie des Inselspitals, Universitätsspital Bern. Sie ist sowohl klinisch als auch wissenschaftlich tätig. In ihrer Forschung entwickelt Ekin Ermis KI-gestützte Verfahren zur Automatisierung der Strahlentherapieplanung. Ziel ist es, die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Hirntumoren effizienter zu gestalten und eine konstant hohe Behandlungsqualität sicherzustellen.
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