Ein weiterer grosser Meilenstein des HORAO-Forschungsprojekts ist erreicht: Zum ersten Mal kommt ein neu entwickelter Typ von Operationsmikroskop während einer Hirntumoroperation am Inselspital Bern zum Einsatz. Er soll mithilfe einer innovativen Bildgebung eine radikalere und gleichzeitig sicherere Entfernung von Hirntumoren ermöglichen. Erste Messungen liefern vielversprechende Ergebnisse.
Um was geht es bei HORAO?
Nach der Diagnose Hirntumor ist die vollständige Resektion der erste und entscheidende Schritt im Behandlungsplan. Allerdings ist es auch mit modernsten chirurgischen Mikroskopen heute immer noch schwierig, während einer OP das gesunde Hirngewebe von krankhaftem Tumorgewebe zu unterscheiden sowie wichtige funktionstragende Faserbahnen zu identifizieren. Das Risiko, dass ein Tumor nur unvollständig entfernt werden kann oder nach der Operation neurologische Schädigungen auftreten, ist hoch.
Genau hier setzt das HORAO-Forschungsprojekt an. Spezialisten aus der optischen Physik, der Pathologie, der Neurochirurgie und der künstlichen Intelligenz forschen und arbeiten zusammen an der Entwicklung einer neuen optischen Methode, die zu sichereren, schnelleren und präziseren Tumorresektionen führen soll.
Die Technologie dahinter
HORAO nutzt als Technologie die bildgebende Mueller-Polarimetrie oder kurz IMP. Ihr liegt zugrunde, dass hochorganisierte Strukturen im Hirn polarisiertes Licht anders reflektieren als die unorganisierten Zellen von Tumoren. Die Mueller-Polarimetrie hat zudem den Vorteil, dass sie in Echtzeit, nicht-invasiv und ohne den Einsatz von Kontrastmitteln angewendet werden kann. Damit dies aber auch im Operationssaal zum Einsatz kommen kann, muss die IMP so weit miniaturisiert werden, dass sie am Ende des Entwicklungsprozesses in ein neurochirurgisches Operationsmikroskop eingebaut werden kann. Mit Hilfe modernster Computer-Visualisierung soll dann eine automatisierte Tumorsegmentierung möglich sein. Auch die Faserbahnen, die Träger wichtiger Hirnfunktionen sind, können unter polarisiertem Licht dargestellt und während der Operation geschont werden.
Crowdfunding und Crowdsourcing – Ideengeber für HORAO
HORAO ist als Idee von einigen kreativen Köpfen der Neurochirurgie am Inselspital entstanden. Sie waren auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Wie kann gesundes Hirngewebe sicher von Tumorgewebe unterschieden werden? Ein globales Brainstorming, ein sogenannter Crowdsourcing-Wettbewerb, sollte sie der Lösung dieses medizinischen Problems ein Stück näher bringen. Nach dem ersten Schweizer Crowdfunding im Bereich Medizinforschung zur Generierung von finanziellen Mitteln wurde 2019 das Crowdsourcing abgeschlossen und das HORAO-Projekt von Ivan Gusachenko aus Frankreich zum Sieger gekürt. Zwei Jahre danach erhielt das internationale Forschungsteam rund um HORAO den prestigeträchtigen Sinergia-Grant des SNF in Höhe von 2,3 Millionen Franken, welcher das Forschungsprojekt für 4 Jahre voll finanziert.
Wer steht hinter HORAO?
Bei HORAO arbeiten zwei internationale Forschungsteams von vier Institutionen eng zusammen. Dazu gehören Wissenschaftler der Ecole polytechnique in Paris sowie Schweizer Ärztinnen und Ärzte der Neurochirurgie und Neuropathologie, Expertinnen und Experten für künstliche Intelligenz und Machine Learning sowie optische Ingenieure. Projektleiter ist Prof. Dr. med. Philippe Schucht, Stv. Chefarzt Neurochirurgie und Leiter Neuroonkologie am Inselspital in Bern. Für die Projektkoordination ist David Hasler verantwortlich.
Was sind die nächsten Schritte?
Mit den ersten testweisen Einsätzen im Operationssaal ist ein wichtiges Etappenziel erreicht. Doch noch liegt ein Stück Weg vor den Forschenden von HORAO. Beim jetzigen Modell handelt es sich um einen einfachen Prototyp, der weiter miniaturisiert werden muss, um eine kleine Endgrösse des Geräts zu erreichen. An der Messgenauigkeit muss gefeilt werden ebenso wie an Echtzeitmessungen, die momentan so noch nicht möglich sind. Die Patentierung von Hard- und Software erfolgt parallel.
Zur Zeit steht das Forschungsteam im Gespräch mit mehreren möglichen Industriepartnern, die für die Entwicklung eines industriefähigen Mikroskopmodells mit an Bord geholt werden sollen. Der Abschluss von HORAO als Forschungsprojekt ist derzeit für 2026 geplant.
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